AVV Baulärm

Überblick

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AVV Baulärm Fundstelle Normtext

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschimmissionen – lautet der vollständige Titel.
Die AVV Baulärm regelt bundesweit, welche Lärmwerte (IRW für Immissionsrichtwert) bei Baustellen zu beachten sind und beantwortet die W-Fragen: Wann und wo sind welche Lärmwerte einzuhalten? Wie wird gemessen/kontrolliert? Welche Maßnahmen kommen bei Überschreitungen in Betracht?

Zweck der AVV Baulärm

Zweck der AVV Baulärm ist es, das Verwaltungshandeln zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Bis zum Erlass der AVV Baulärm konnte, mangels länderspezifischer Regelungen, nur auf der Grundlage allgemeiner Gefahrenabwehrklauseln gehandelt werden.

Adressat der AVV Baulärm & Drittschutz

Die AVV Baulärm richtet sich nach dem Wortlaut eigentlich nur an die Verwaltung; daher die Bezeichnung  „Allgemeine Verwaltungsvorschrift“ – AVV.
Inzwischen ist jedoch allgemein anerkannt, dass die AVV Baulärm nicht nur eine interne Verwaltungsvorschrift darstellt. Vielmehr hat ein Betroffener (Nachbar) einen einklagbaren Anspruch darauf, dass die Verwaltung die AVV Baulärm beachtet und umsetzt. Es handelt sich um eine sogenannte drittschützende Norm. Rechtsstaatliche Grundsätze gebieten, dass bei einer rechtswidrigen Untätigkeit der zuständigen Behörde, diese auf Tätigkeit (Erlass von Maßnahmen gegen den Baulärm) verklagt werden kann.

Rechtswirkungen

Die AVV Baulärm konkretisiert für Geräuschimmissionen von Baustellen den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen aus dem BImSchG durch Festsetzung von Immissionsrichtwerte für die in der AVV Baulärm genannten Gebiete (Industriegebiet bis Kurgebiet).
Im Zivilrecht wird eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte aus der AVV Baulärm grundsätzlich als eine wesentliche Beeinträchtigung i.S. von § 906 BGB anzusehen sein.

Inhalt der AVV Baulärm

Inhalt der AVV Baulärm

Die AVV Baulärm beantwortet die wesentlichen Fragen.

Was ist zu messen?
Wann ist es zu laut?
Was ist bei Überschreitungen zu tun?
Welche Maßnahmen gibt es?

Um dies zu beantworten enthält die AVV Baulärm

Begriffsdefinitionen
Vorgaben für das Messverfahren von Baulärm
Richtwerte für den Baulärm und Vorgaben zur Ermittlung
Mögliche Maßnahmen bei Überschreitung.

Wesentliche Details

Welche Lärmsorte regelt die AVV Baulärm?
Die AVV Baulärm betrifft die Geräuschemissionen von Baumaschinen auf Baustellen.

Was ist eine Baustelle?
Baustelle im Sinne der AVV Baulärm sind solche, auf denen Baumaschinen zu gewerblichen Zwecken oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen eingesetzt werden.

Was ist eine Baumaschine?
Zu den Baumaschinen zählen die normalen Baumaschinen (von Abbruchmeißel bis Ziehgeräte), aber auch die auf der Baustelle betriebenen Kraftfahrzeuge.

Wann ist es zu laut?
Wenn der Beurteilungspegel die Immissionsrichtwerte aus der AVV Baulärm überschreitet.
Der Beurteilungspegel ist kein reiner Messpegel, sondern setzt sich aus Zu- und Abschlägen zum Messpegel zusammen.

Welche Immissionsrichtwerte (IRW) gelten?
Die Immissionsrichtwerte richten sich nach dem Gebietscharakter. Ein Industriegebiet hat einen höheren IRW als ein Wohngebiet.
Definiert sind die Gebiete in Ziffer 3.1.1. der AVV. Achtung: Die Gebietsdefinitionen der AVV-Baulärm stimmen nicht mit denen aus alten oder aktuellen Gebietsdefinitionen der Baunutzungsverordnung überein.

Wo wird gemessen?
Nach der AVV Baulärm wird vor dem am stärksten betroffenen Fenster eines zum Aufenthalt von Menschen bestimmten Gebäudes gemessen.

Womit wird gemessen?
Die AVV Baulärm sieht eine Messung mit einem Präzisionsschallpegelmesser vor, allerdings unter Hinweis auf veraltete und nicht mehr geltende DIN-Vorschriften. Eine Eichpflicht der Geräte ist in der AVV Baulärm nicht ausdrücklich vorgesehen, allerdings soll eine Prüfpflicht durch eine von der zuständigen Landesbehörde bestimmte Prüfstelle erfolgen.
Zumeist wird davon ausgegangen, dass Messungen mit Geräten der Klasse 1 erfolgen sollen. Diese haben geringere Messabweichungen als Geräten der Klasse 2  oder nicht klassifizierte Geräten.
Geräte der Klasse 2 sind ab ca. 200€ erhältlich, Geräte der Klasse 1 selten unter € 2.000.
Geräte der Klasse 2 messen meist nicht den für Baulärm maßgeblichen Taktmaximalpegel, die Messergebnisse sind daher meist zu niedrig.
Es gibt Apps und Untersuchungen (link) zur Messgenauigkeit von Apps auf Smartphones. Die meisten Apps sind für Lärmmessungen untauglich.
Die im Schnitt genauesten Ergebnisse sind mit Apple Geräten erzielbar, weil dieser Hersteller einheitliche Mikrofon-Parameter vorgibt.  Bei Geräten anderer Hersteller können die unterschiedlichen Mikrofon-Paramter nicht vorab von den Programmierern einer App berücksichtigt werden, so dass es starke Schwankungsbreiten und Ungenauigkeiten gibt.

 

Was wird bei Baulärm gemessen?
Es wird der sogenannte Taktmaximalpegel gemessen. Dieser berücksichtigt die Impulshaltigkeit der Geräusche von Baustellen, also das Fehlen von gleichförmigen Geräuschen. Es wird innerhalb eines 5-Sekunden Taktes nur der höchste Wert gemessen. Dieser wird dann über die Messzeit gemittelt.
Die gängige Abkürzung ist LAFT für den Taktmaximalpegel bzw. LAFTeq für den energetisch gemittelten Taktmaximalpegel.

Wichtige Detailfragen

Wann ist es zu laut?

Zu laut ist es, wenn der Baulärm nach Art, Außmaß oder Dauer geeignet ist,

  • eine Gefahr
  • einen erheblichen Nachteil oder
  • eine erhebliche Beinträchtigung

für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, also eine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG vorliegt.

Wann dies der Fall ist, bestimmt die AVV Baulärm. Denn diese konkretisiert den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkung für Baulärm (BVerwG 7 A 11.11, RN 25).

Die AVV legt entsprechend für unterschiedliche Gebiete jewils Immissionsrichtwerte (IRW) für den Tag- bzw. Nachtzeitraum fest. Überschreitet der nach der AVV Baulärm ermittelte Geräuschpegel (Beurteilungspegel) den jeweiligen gebietsbezogenen IRW, ist grundsätzlich von einer schädliche Umwelteinwirkung auszugehen.

IRW – Welcher Lärmpegel für welches Gebiet

Die AVV Baulärm setzt in Ziffer 3.1.1 die Immissionsrichtwerte für verschiedene Gebiete (Industriegebiet bis Kurgebiet) fest.

Berechnung des maßgeblichen Pegels
Messwert + Lästigkeitszuschlag – Zeitabschlag = Bewertungspegel

Die AVV Baulärm enthält eine simple Berechnungsart in Ziffer 6.6 & 6.7

  1. Der Wert aus der Messung des Taktmaximalpegels wird gemittelt.
  2. Deutlich hörbare Töne (Singen, Heulen, Pfeifen, Kreischen werden als Beispiele genannt) können einen Lästigkeitszuschlag von bis zu fünf dB (A) begründen.
    Das Ergebnis ist der sogenannte Wirkpegel.
  3. Der Beurteilungspegel wird anhand einer Zeitkorrektur/Zeitabschlag ermittelt.
    Tägliche Betriebsdauer bis 2,5 h tagsüber: Abschlag von 10 dB(A)
    Tägliche Betriebsdauer über 2,5 bis 8 h tagsüber: Abschlag von 5 dB (A)
    Tägliche Betriebsdauer über 8 Stunden: Kein Abschlag

Der so ermittelte Beurteilungspegel wird mit den Immissionsrichtwerten für die einzelnen Gebiete nach Ziffer 3. der AVV Baulärm abgeglichen.

Uneinigkeit besteht darüber, ob die Zeitkorrektur für jede einzelne Maschine zu erfolgen hat oder für die gesamte Baustelle. Nach dem Wortlaut ist vom Wirkpegel (oben 2) unter Berücksichtigung der durchschnittlichen täglichen Betriebsdauer der Baumaschaschine ….die Zeitkorrektur abzuziehen.
Dies spricht für einen Abzug bei jeder einzelnen Baumaschine.
Aber, in Ziffer 6.7.2 wird dann auf das Gesamtgeräusch der Baumaschinen abgestellt: Soweit nicht das Gesamtgeräusch der Baumaschinen, sondern das Geräusch einzelner Baumaschinen gemessen wird, sind die einzelnen Beurteilungspegel zu einem Gesamtbeurteilungspegel nach Anlage 3 zusammenzufassen.

Grenzwert oder Richtwert

Die AVV-Baulärm spricht von Richtwerten. Ein Richtwert bedeutet, dass diese grundsätzlich einzuhalten sind, es jedoch bei Sonderfällen Abweichungen davon geben kann.

Ein Grenzwert hingegen ist ein Wert, der einzuhalten ist. Es gibt bei Grenzwerten keinen Spielraum für Ausnahmen.

Beim BImSchG folgen Grenzwerte aus Verordnungen nach § 23 BImSchG. Richtwerte folgen aus Verordnungen nach § 48 BImSchG. Die TA-Lärm enthält Richtwerte und ist auf der Grundlage des § 48 BImSchG ergangen.

Welche Maßnahmen gibt es bei Überschreitung der IRW

Mögliche Maßnahmen der zuständigen Behörde sind in Ziffer 4.1 AVV Baulärm aufgeführt.

  • Maßnahmen bei der Einrichtung der Baustelle
  • Maßnahmen an den Baumaschinen
  • die Verwendung geräuscharmer Baumaschinen
  • die Anwendung geräuscharmer Bauverfahren
  • die Beschränkung der Betriebszeit lautstarker Baumaschinen

Des Weiteren enthält die AVV Baulärm in der Anlage 5 eine Vielzahl fachtechnischer Hinweise, deren Inhalt sich bereits aus dem Inhaltsverzeichnis erschließt. Die Lektüre ist immer noch empfehlenswert.

Einen generellen Baustopp sieht die AVV Baulärm nicht vor. Unter Ziffer 5. ist nur die Stilllegung von einzelnen Baumaschinen geregelt. Diese Stilllegung von Maschinen kommt nur als äußerstes Mittel in Betracht und soll angeordnet werden, wenn weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um
– eine Überschreitung der IRW zu verhindern (5.2.1. Ziffer 1) und
– zudem die Stilllegung dringend erforderlich ist zum Schutze der Allgemeinheit (5.2.1. Ziffer 2).

Zum Vergleich:
Das BImSchG sieht eine Stilllegung einer Anlage (kann auch eine Baustelle sein) ausdrücklich zur Gefahrenabwehr vor, § 25 Abs. 3 BImSchG. Dies setzt voraus, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht auf andere Weise gegen eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr geschützt werden können (Gefahrenabwehr).
Ansonsten ist eine Stilllegung nur zur Erzwingung der Umsetzung einer Anordnung nach  § 24 Abs. 1 BImSchG vorgesehen, § 25 Abs. 1 BImSchG.

Die AVV Baulärm stammt aus dem Jahr 1970.

Sie beruht auf dem „Gesetz zum Schutz gegen Baulärm“ (Baulärmgesetz)  von 1965, dem ersten Immissionsschutzgesetz Deutschlands.

Das Spezialgesetz zu Baulärm erklärt auch, warum Baulärm vom Geltungsbereich der 1. TA-Lärm von 1968, der Vorschrift, welche Lärm von gewerblichen Anlagen regelt, ausgenommen ist.

Was wurde aus den Vorschriften?

Auf die AVV Baulärm von 1970 folgten in den Jahren 1971 bis 1973 insgesamt  7 Verordnungen zu Emissionsrichtwerten für verschiedene Baumaschinen. (Bagger, Betonmischer, Betonpumpen, Kettenlader, Kompressoren, Planierraupen, Radlader).

Gültig ist von diesen Vorschriften heute nur noch die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschimmissionen“, kurz AVV Baulärm.

Dies ist die letzte Norm aus der Zeit vor Erlass des BImSchG. Sie gilt bis zum Inkrafttreten von neuen Verwaltungsvorschriften weiter. Dies ist in § 66 II BImSchG geregelt.

Das Baulärmgesetz hingegen gilt nicht mehr, es wurde mit Einführung des BImSchG im Jahre 1974 aufgehoben.
Die sieben Baumaschinenverordnungen wurden ebenfalls aufgehoben und später durch europäische Normen ersetzt, insbesondere der outdoor noise directive, 2000/14/EG. In Deutschland ist diese in der 32. BImSchVO umgesetzt.

Fundstelle AVV Baulärm

Fundstelle Baulärmgesetz 1965

Fundstelle BImSchG

Fundstelle outdoor noise directive, 2000/14/EG (deutscher Text) – Fundstelle zur EU-Kommissionsseite Noise Emission by Outdoor Equipment mit weiteren Hinweisen

Fundstelle 32. BImSchV