Überblick Rechtslage Baulärm
Die Rechtslage ist verwirrend. Zumindest auf den ersten Blick.
Primär ist zu unterscheiden zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Normen.
Das öffentliche Recht regelt das Verhältnis des Einzelnen zum Staat.
Es ist ein Überordnungs – Unterordnungsverhältnis.
Ansprechpartner/Prozessgegner sind die zuständigen Behörden. Für Baulärm ist die Zuständigkeit in jedem Bundesland anders geregelt: Kreis oder Stadt sowie dort entweder Bauaufsicht, Gewerbeaufsicht oder Immissionsschutzbehörden/Umweltämter).
Rechtsstreitigkeiten gehen zum Verwaltungsgericht. Dort geht es bei Baulärm meist um die Frage: Muss die Behörde einschreiten (gegen den Baulärm) bzw. ist das Einschreiten der Behörde (gegen den Bauherrn etc.) rechtmäßig?
Das Privatrecht oder Zivilrecht regelt Rechtsbeziehungen der Einzelnen untereinander.
Es handelt sich um ein Gleichordnungsverhältnis und ist vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.
Ansprechpartner/Prozessgegner ist der Anlagenbetreiber (hier Bauherr, Bauunternehmer, Maschinenbetreiber) oder ein Nachbar.
Rechtsstreitigkeiten gehen zu den Zivilgerichten (Amts- oder Landgericht, in Abhängigkeit vom Streitwert). Dort geht es bei Baulärm meist um Unterlassung der Immission oder um Schadenersatz.
Was ist Lärm? Welcher Lärm ist entscheidend?
Lärm ist Schall, der Nachbarn oder Dritte stören (gefährden, erheblich beeinträchtigen oder erheblich belästigen) kann. So noch die sehr klare Definition in der TA-Lärm von 1968.
Diese klare Definition ist nach Einführung des BimSchG entfallen, welches auf „störende Umwelteinwirkungen“ abstellt, also nicht nur auf störenden Schall. Die ’störenden Umwelteinwirkungen‘ sind im BImSchG in § 3 aber genauso definiert, wie früher der Lärm: als „nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen„.
Lärm wird mit einem Schallpegelmessgerät gemessen. Entscheidend ist nicht ein einziges Schallereignis, sondern in der Regel ein mehrstündiger Dauerschallpegel. Dabei wird üblicherweise zwischen Tages- und Nachtzeit unterschieden. Bei der AVV-Baulärm ist die Nachtzeit von 20:00 Uhr bis 7:00 morgens (bei der TA-Lärm hingegen von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr morgens), der Rest ist Tag.
Dann gibt es noch die Ausnahme vom maßgeblichen Dauerschallpegel: Bei Baulärm führt auch eine einmalige Überschreitung des maßgeblichen Richtswert um 20 dB(A) in der Nachtzeit zu einer Überschreitung.
Öffentliches Immissionsschutzrecht – Rechtslage Baulärm
Die einzelnen Normen werden separat erklärt. Es geht dort immer um die Frage: Liegen schädliche Umwelteinwirkungen vor? Hier nur ein kurzer Überblick. Im öffentlichen Immissionsschutzrecht sind – nach Bekanntheit geordnet – wichtig:
- die TA Lärm – Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm von 1998 (‚Vorauflage‘ von 1968)
- das BImSchG – Bundes-Immissionsschutzgesetz ab 1974
- die AVV Baulärm – Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm von 1970
- das Baulärmgesetz – Gesetz zum Schutz gegen Baulärm, das von 1965 bis 1974 galt
Das Verhältnis zueinander erklärt sich aus der Historie, siehe obige Jahreszahlen.
Die 1. TA Lärm von 1968 beruhte noch auf § 16 der Gewerbeordnung, welche nur Emissionen von genehmigungspflichtigen Anlagen regelte. Später wurde § 16 der Gewerbeordnung durch Regelungen im BImSchG von 1974 ersetzt. Die 2. TA Lärm von 1998 beruht entsprechend schon auf dem BImSchG und die TA gilt jetzt auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, soweit diese nicht ausdrücklich ausgenommen werden.
Baulärm ist vom Anwendungsbereich der TA Lärm ausgenommen.
Warum?
Baustellen sind keine genehmigungsbedürftigen Anlagen (gemeint sind Genehmigungen nach dem Immissionsschutzrecht). Die alte TA-Lärm von 1968 galt nur für genehmigungsbedürftige Anlagen. Bei Erlass der aktuellen TA-Lärm von 1998 gab es bereits die AVV Baulärm als Spezialregelung. Es bestand keine Notwendigkeit, diese in die TA-Lärm 1998 zu integrieren.
Das Baulärmgesetz von 1965, als 1. Immissionsschutzgesetz der Bundesrepublik, war Rechtsgrundlage für den Erlass der AVV Baulärm (und anderer, inzwischen aufgehobener Vorschriften).
Nach Erlass des BImSchG wurde das Baulärmgesetz aufgehoben.
Dies hatte nicht das Ende der AVV Baulärm zur Folge, die Vorschrift zu Baulärm wurde übergeleitet. Das bedeutet, sie ist bis zum Inkrafttreten von entsprechenden Verwaltungsvorschriften nach dem BImSchG maßgebend. Steht in § 66 Abs. 2 BImSchG.
Privatrecht / Zivilrecht – Rechtslage Baulärm
Das Zivilrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch kodifiziert. Die Frage ist dort immer, wer will was von wem auf welcher Anspruchsgrundlage?
Als Hauptansprüche kommen bei Baulärm Unterlassung und Schadenersatz in Betracht.
Als Anspruchsteller kommen Eigentümer und Besitzer (Mieter sind Besitzer) in Betracht.
Als Anspruchsgegner kommen die Störer in Betracht, das können sowohl die Grundstückseigentümer, die Bauherren als auch einzelne Baufirmen oder Gerätebetreiber sein.
Als Anspruchsgrundlage für Unterlassung und Schadenersatz kommen § 1004 BGB iVm § 906 für Eigentümer und in Verbindung mit § 862 für Besitzer (Mieter etc.) in Betracht.
Als Anspruchsgrundlage für Schadenersatz kommt eventuell auch ein deliktischer Anspruch nach § 823 BGB in Betracht.
Daneben kann es noch Ansprüche auf Mietminderung des Mieters geben, der sich allerdings nur gegen den Vertragspartner richtet, nicht gegen den Störer (Baulärmverursacher). Der Vermieter wiederum hat eventuell bei einer Minderung durch seine Mieter einen Rückgriffsanspruch gegen den Störer.